Bayrisch-Lektion aus erster Hand: „hintere und füri“

In der bayrischen Heimat erteilt das Leben die besten Lektionen. So erlebte ich selbst diese etwas heikle Situation mit einem Landwirt in unserer Nähe.

Auf dem Heimweg an einem Frühlingstag nach der Arbeit bewunderte ich wieder die umliegenden Wiesen in der Nähe unseres Hauses. Frisches Gras spross aus der nach neuem Leben duftenden Erde, der Anfang der wärmeren Jahreszeit wurde von fröhlich zwitschernden Vögeln verkündet.

Am Straßenrand parkte wieder Mal ein Traktor, so holte ich aus, um auszuweichen. Der Fahrer, ein Mann mittleren Alters und vermutlich sein Sohn – noch nie zuvor gesehen – stiegen jedoch aus und winkten mich zu sich, so blieb ich selbst etwas abseits des Fahrstreifens stehen und ließ das Fenster runter. Nach kurzer Begrüßung schilderte der Mann – wohl ein Landwirt aus der Nachbarschaft – gleich sein Anliegen. Ohne lang darüber nachzudenken, ob ich seinen starken Dialekt verstehe.

Im Alltag bedeutet mir die hiesige Redensart keine Schwierigkeiten. Aber als „Zuagroasde“ (Zugereiste, Zugezogene) fehlen mir doch einige Redewendungen. Aus diesem Grund bastele ich mir gewöhnlich die fehlenden Wortfetzen aus den restlichen, bekannten Satzelementen logisch zusammen.

„Sie wohnen hier, nicht wahr? Fahren Sie auf dieser Strecke öfter?“ Er deutete auf die Wiese neben uns: „Schauen Sie mal das hier an, diese Sauerei!“

Nach dem Dauerregen war der Boden stark aufgeweicht und tatsächlich waren bis zu 40 cm tiefe Reifenspuren ins Ackerland geschnitten, vermutlich von einem Geländewagen. Die wirren Linien verliefen grob nebeneinander wie eine schlecht gelungene und mehrfach nachgezeichnete Acht. Deutlich zu erkennen war auch, dass es sich hier um einen kleinen „Fahrspaß“ von einem unbekannten Täter handelte.
Der Mann fuhr fort: „Wir säten vor kurzem frisch und irgendwelche Deppen ruinierten unsere ganze Arbeit! Ist Ihnen vielleicht jemand aufgefallen, der hier wie verrückt hintere und füri fährt?“

Da ich meinte, alles perfekt verstanden zu haben beantwortete ich die Frage hilfsreich und mit einer  Selbstverständlichkeit:
„Ich fahre hier nicht speziell um viere nach hinten (also meiner Meinung nach heimwärts in die hintere Straße etwa um vier Uhr), aber auch zu sonstigen Zeiten habe ich kein verdächtiges Fahrzeug gesehen.“

Auf diese Antwort wurden die Augen des Mannes groß. Er bedankte sich eilig für die Information, bat mich, falls ich in Zukunft doch etwas merke, mich kurz bei ihm zu melden (und erklärte mir wo) während er mich die ganze Zeit etwas seltsam anguckte.

Ich kam heim und dachte eine Weile nach. Ich verstand den mißtraurischen Blick meines urbayrischen Nachbars einfach nicht. Meine einheimische Familie klärte mich später bei brüllendem Gelächter über die Bedeutung von hintere und füri (nach hinten und nach vorn, also ringsherum) auf und dass sich füri (nach vorn) und viere (um vier, wenn es um die Zahl oder die Uhrzeit geht) zwar in der lebendigen Sprache ähnlich klingen, aber doch verschiedenen Sinn haben.

Der Nachbar lief mir seither nicht mehr über den Weg. Möge dies ein Zufall sein und keine bewusste Sicherheitsmaßnahme gegenüber einer durchgeknallten Nachbarin.

 

 

Eine nützliche Hilfe, um aus solchen Situationen noch einigermaßen elegant herauszukommen:
ein bayrisches Wörterbuch unter diesem Link (Fremdlink).

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