Bauerntheater – das klassische Drama

Im schönen Bayern hat das volkstümliche Schauspiel Tradition. Gerade zur kalten Jahreszeit, wenn die Feldarbeiten erledigt sind, geht es los mit dem Einüben der Stücke, damit sich die künstlerische Darstellung bis zu den ersten dunklen Winterabenden heranreifen kann. Dann füllen sich die Vereinsheime und Gemeindehäuser.

Die Show geht los.

(In unserem Fall verzichten wir auf die Bühne und am Schluss wird nicht geklatscht, höchstens nur mit den Augen gezwinkert.)

Akt 1.

Die Darsteller treten auf und zeigen sich von der zuckersüßen Seite. Die Dialoge sind friedlich, die Gesichter zufrieden, alle freunden sich miteinander an.

Akt 2.

Erste Klagen kommen wegen Hausfriedensbruch auf. Die Ereignisse spielen sich in Abwesenheit der Geschädigten ab. Eine Entschuldigung mit einem höhnischen Spruch „Hob di net so!“ (= lass gut sein) wird widerwillig angenommen.

Akt 3.

Kontaktsuche wegen schwereren Vorfällen wie Einbruch, Sachbeschädigung und Ruhestörung. Leichte Körperverletzung kommt dazu. Es gibt keine Schuldige, die Szene mit dem sterbenden Schwan wird von der Solistin furchtbar versaut. Die verbale Argumentation endet plötzlich, die Worte gehen aus. Die Primatonne schreit aus der Tiefe ihrer Kehle. Die restlichen Darsteller verlassen die Szene enttäuscht kopfschüttelnd. Sie hatten sowieso keine Sprechrolle. Die Diva schöpfte die Kapazitäten voll aus – allein. Die kreischende Klage hallt noch lange in den Ohren.

Lieber Schöpfer, wem sprang denn die Idee zu dieser Szene aus dem Kopf?

Akt 4.

Die Kommunikation hört auf, das ist die Stille nach dem Gewitter. Ein unverschämter Brief mit grundlosen Anschuldigungen wird freundlich beantwortet. Keiner schämt sich und Grüße werden nicht erwidert. Ein Anspruch auf eine gute Nachbarschaft wurde zwar einmal beispielhaft zitiert, aber die Sache blieb nun doch schandhaft bei der Theorie.

Akt 5.

Die Sticheleien hören nicht auf. Das ungeschriebene Gesetz der Milchkuhwiesen ist nämlich kurz und klar: Bauern haben recht. Wieso eigentlich immer? Weil sie nicht anders können, als recht zu haben.

Wo bleibt der gesunde Menschenverstand? Im nächsten Theaterstück geht der Held wohl auf die Suche danach.

Akt 6.

Eine private Einfahrt wird als „öffentliche Straße“ missbraucht: Sie wird Tatort einer enormen Lärmbelästigung am heiligen bayrischen Feiertag Punkt um zwölf Uhr mittags. Kruzifix Halleluja!

Ist die Welt in Bayern immer noch in Ordnung? Jemand soll endlich den Vorhang runter lassen!

 

(Ähnlichkeiten mit wahren Ereignissen, Orten und Personen sind völlig ausgeschlossen. Aber wer übernimmt schon die Haftung?)

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