Die Wahrheit, wie Delly sie sieht von Katherine Hannigan

Anderssein ist kein Katastrofehler

Die Erwachsenen sollten es langsam lernen, ihre Oberflächlichkeit aufzugeben und durch eine liebevolle Zuwendung zu den Kindern zu ersetzen. Die Zeiten ändern sich, die Erziehungsmethoden ändern sich, unser Nachwuchs – die neue Generation – ist anders. Die Herausforderung ist trotz alledem nicht allzu groß; die Liebe bleibt unverändert und sollte allgegenwärtig sein.

Delly, ein wunderbar kreatives und einfühlsames Kind, schafft es immer – und meist ungewollt – Ärger anzuziehen. Wieso? Das aufgeweckte Mädchen ist in jeder Hinsicht anders. Anderssein sollte jedoch kein Fehler sein.

Während sie die Welt um sich herum aufmischt und Extremsituationen am laufenden Band produziert, versteht keiner in ihrer Umgebung ihre Beweggründe. Dabei sind ihre Taten – mit Abstand betrachtet – sehr ehrliche, spontane Handlungen und auch wenn sie im betreffenden Moment unmöglich zu sein scheinen, sind sie logisch nachvollziehbar und für Außenstehende sogar amüsant. Nur Dellys Kinderseele leidet sehr unter diesem Nichtverstandensein, bis eines Tages ihr Lächeln verschwindet.

Um aus dieser hoffnungslosen Situation herauszukommen, muss dieses Kind zur Erkenntnis kommen, dass es dringend etwas ändern muss. Dellys Charakter ist so stark geformt, dass man diese großartige Entwicklung Schritt für Schritt miterleben und ihren inneren Kampf nachempfinden kann.

Dieser Reifeprozess macht sie zu einer selbstbewussteren, verantwortungsvolleren Jugendlichen: Die kleine Heldin lernt allmählich, die Macht der Liebe durch ihre Familie und Freunde zu entdecken, in sich aufzunehmen und auch andere daran teilhaben zu lassen.

Katherine Hannigan steigert die Spannung systematisch: Aus dem anfänglichen Chaos und Hoffnungslosigkeit zaubert die Autorin eine Geschichte der Erkenntnis, die ihren Höhepunkt bei dem Ausbruch intensiver Emotionen wie Liebe, Fürsorge und Freundschaft erreicht. Von ihrer Erfahrung mit Jugendlichen zeugt, dass die Handlungen ihrer kindlichen Figuren stets glaubhaft naiv bleiben, genauso authentisch wirken ihre Dialoge. Beeindruckend ist die Schilderung der Dramatik, wie die Kinder bei einem tükischen Wechselspiel von sorglosen und schweren Tagen, von Glück und Verzweiflung ihren Alltag meistern.
Als eine besondere kleine Zugabe offenbart die Geschichte eine liebevolle und witzige Kindersprache, mit vielen erfundenen, kindlichen Wörtern, die am Ende im Dellexikon erklärt werden, wie beispielsweise Überraschenk oder Ididepp.

Da es sich in diesem Roman teils um Kindesmissbrauch handelt und die Hauptfigur zeitweise depressiv wirkt, eignet sich dieses Buch für reifere Kinder, beziehungsweise ist die Begleitung eines Erwachsenen empfehlenswert, damit beim Lesen – nach Dellys Wortschatz – keine emotionalen „Katastrofehler“ verursacht werden.

Summa summarum ist „Die Wahrheit, wie Delly sie sieht“ eine herausragende Lektüre mit viel Humor, gewürzt mit einer Menge Ernsthaftigkeit und großen Gefühlen.

Delly eroberte mein Herz schnell und bedingungslos!

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