Jenny Bünnig: Es muss dunkel sein…

Jenny Bünnig: Es muss dunkel sein, damit man die Sterne sieht

Der etwas andere Road Trip mit entzückenden alten Damen

Von einer jungen Autorin eine Geschichte zu lesen, die größtenteils mit älteren Protagonisten bestückt ist, ist eine große Überraschung. Nicht jedoch die einzige im Debütroman von Jenny Bünnig. Die Grundidee, eine gemeinsame Reise zu unternehmen und dabei selbst gestellte Aufgaben zu erledigen, beziehungsweise lang ertragene, schicksalhafte Belastungen aufzulösen, ist an sich schon großartig. Die Autorin bietet jedoch mehr: Sie ist schlicht und reif im Schreibstil, kreativ im Gesamtaufbau, ihr Werk ist gefühlvoll und nachdenklich in der Grundstimmung und es fehlt auch nicht an der nötigen Menge an Humor.

Erzählt wird aus der Sicht der einzig jungen Heldin, Ria, deren Abenteuer mit der Rentnerinnen-Clique sie gleichzeitig aus dem verwirrten Zustand der ohnmächtigen Trauer retten.

Rias Charakter ist sehr dynamisch. Ihre Eigenschaften und ihre Gefühle entwickeln sich im Laufe der Geschichte erstaunlich. Mit ihrer Art polarisiert sie extrem und sorgt durchgehend für Spannung. Anfangs ihre alles überschattende Traurigkeit, dann ihr Unverständnis, daraus wird später Hilfsbereitschaft und Mitgefühl, bis sie sich – inspiriert von der Weisheit, Erfahrung und Heiterkeit der Mitreisenden – öffnet und einen möglichen Zukunftsweg findet.

Die alten Damen sind faszinierende und überzeugende Persönlichkeiten. Eine genaue Beschreibung der Charaktere findet man in diesem Buch nicht, es fällt jedoch leicht, die „Figuren ohne Gesicht und Statur“ anhand ihrer Handlung zu typisieren. („Die Menschen sind mehr, als du auf den ersten Blick sehen kannst.“) Es geht hier um viel mehr, als das Oberflächliche und einiges wird der Fantasie überlassen.

Lang gehütete Geheimnisse, witzige Wortgefechte und Freundschaft fürs Leben verbindet die Reisenden, die nach der Fahrt durch halb Europa unter stürmischen Debatten ihr Ziel erreichen. Besonders köstlich – und immer treffend – sind Hildies Zitate aus der Weltliteratur, die mit denen wie eine Revolverheldin herumschießt.

Dieses Buch ist ein Road Trip vom Feinsten, nicht nur weil die Damengruppe einen Vogel hat: Es handelt sich doch nur um einen sprechenden Mynah… Der Roman ist für alle eine gute Wahl, die eine intelligente, nachdenkliche Lektüre bevorzugen. Keine süße Kaffeefahrt, eher eine großartige Selbstfindungserfahrung mit der Weisheit der alten Generation. Kreativ, intelligent und überwiegend heiter.

Mit Stolz zitiere ich den Kommentar der Autorin, die die Leserunde auf lovelybooks.de sehr liebevoll betreute: „Liebe DonnaVivi, ich bin gerade wirklich gerührt, sogar ein bisschen verlegen und möchte Ihnen deshalb aufrichtig und von ganzem Herzen danken: für Ihre so netten Worte und für Ihre außergewöhnlich schöne (und humorvolle) Rezension. Ich bin einfach nur begeistert, dass Ihnen die Geschichte so gut gefallen hat und Sie so wunderbare Sätze für unsere Damen gefunden haben! Das macht mich gerade wirklich glücklich 🙂 …“

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