Marie Benedict: Frau Einstein

Einsteins Familie, die Relativitätstheorie und das Wesen der Liebe

Die Andeutung an Einsteins Faulheit und die gehobene Zielsetzung, Sinn und Zweck der Menschheit auf der Erde herauszufinden stehen in großem Widerspruch. Doch sie sind Teil der Erzählung von Marie Benedict über die erste Ehefrau Albert Einsteins.

Die Vermutung liegt nahe, dass es sich hierbei um ein detailreiches biografisches Werk handelt, doch vieles ist aus dem privatem Leben der Einsteins nicht bekannt. Anhand des existierenden, historischen Materials entstand dennoch ein glaubwürdiges literarisches Werk, das mit fiktiven Szenen ergänzt wurde.

In einem ausgeglichenen, respektvollen Ton lässt die Autorin ihre Titelheldin, Mileva Marić, aus der Ich-Perspektive berichten. Damit verleiht sie ihrem Roman eine sehr persönliche Note. Die Erzählung wirkt daher weder trocken noch dokumentarisch und spiegelt nebenbei die Zwiespältigkeit der gesellschaftlichen Normen am Ende des 19. beziehungsweise am Anfang des 20. Jahrhunderts authentisch: Eine intelligente junge Dame behauptet sich schwer unter Männern, die sie ungern in ihren Kreisen am Polytechnikum akzeptieren wollen und in ihr nur ein „hilfloses Weibchen“ sehen. Es bereitete vor über 100 Jahren ungewöhnliche Schwierigkeiten, wenn man als Frau studieren wollte und noch dazu die Fächer Mathematik und Physik.

Während das Züricher Studentenleben mit seiner Feindseligkeit noch einigermaßen emotional zurückhaltend geschildert wird, entwickelt sich die Geschichte in den späteren Abschnitten wesentlich dramatischer. Obwohl anfangs Ansätze erkennbar werden, die auf die freigeistige und unkonventionelle Haltung Einsteins hindeuten, entfaltet sich langsam ein düsteres Frauenschicksal, das nahezu aussichtslos zu sein scheint. Doch die Hauptfigur, Mileva Marić, die hochbegabte erste Ehefrau von Albert Einstein, beweist in diesem Roman Stärke. Besonders beeindruckend ist ihre fromme Einstellung, die die Göttlichkeit der Naturwissenschaft betont und ihre unerschütterliche Liebe ihrer Familie und ihrer einzig wahren Freundin, Helene, gegenüber.

Der feinfühlige Roman von Marie Benedict ist in einer exzellenten Sprache verfasst, das stilistisch an den Sprachgebrauch der vorletzten Jahrhundertwende angepasst zu sein scheint. Nicht zuletzt werden dabei die Grundlagen der Relativitätstheorie und weitere physikalische Gesetze in einer sehr gut verständlichen Weise – sogar für Laien genießbar – behandelt. Eine anspruchsvolle Lektüre.

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