Ein wohlriechendes Lehrerzimmer

Im Lehrerzimmer einer Schule – so wurde mir berichtet – wird Platz und ein gewisser Zeitraum für (aus Schülers Sicht) unangenehme Verpflichtungen reserviert. Nachsitzen beispielsweise als Strafmaßnahme aber auch das Nachholen von verpassten Schularbeiten.

„Im ganzen Raum duftet’s nach guten Dingen, nach frischen Brezeln, nach Croissants, nach Schokolade, Milch und Kaffe. Und wir müssen uns da konzentrieren. Das Gemeine dran ist, dass wir in der Schule nur das gesunde Pausenbrot haben. Gemüse, Obst, Vollkorngebäck und keine Süßigkeiten. Die Lehrer dafür im Büro bekommen alles.“

Da fällt mir das Sprichwort ein „Wasser predigen und Wein trinken“. Wenn das so läuft, wäre es kein Wunder, wenn Lehrer, die eine gesunde Ernährung unterstützen, sich aber in den Pausen ihren Schokocroissants widmen, im Alltag genauso unkonsequent leben würden. Ein Deutschlehrer könnte demnach handgeschriebene Notizen unleserlich und ohne Beachtung der Rechtschreibregeln auf ungepflegte Papierfetzen kritzeln und beim Telefonieren einen wirren Satzbau dahinlegen und zwar ganz ohne Einleitung, Hauptteil und Schlußwort. Bei Mathelehrern würden sich möglicherweise einfache Rechnungen, wie zum Beispiel 2×2 im zweistelligen Bereich resultieren.

Schüler müssen vorerst all das akzeptieren lernen, aber früher oder später werden alle erkennen, dass das Leben genug Freiraum für kleine Sünden bietet. Bis dahin bleibt der verbitterte Satz aus dem Mund eines Zweijährigen als Antwort auf die Zurechtweisung eines Erwachsenen: „Wenn ich groß bin, werde ich auch böse!“

This entry was posted in TEXTER. Bookmark the permalink.

Comments are closed.